Jeder will seinem Pferd etwas Neues lernen bzw. für eine gelungene Abwechslung sorgen.
Es ist schließlich sowohl für den Reiter als auch für das Pferd langweilig, wenn man jedes mal das Gleiche macht.
Doch wie macht man das am Besten?
Fängt man einfach direkt etwas Neues an und schaut wie das Pferd darauf reagiert, oder übe ich fremde Lektionen am Besten am Anfang oder Ende einer normalen Trainingseinheit?
Natürlich kann man sein Pferd "in das kalte Wasser werfen" und einfach direkt mit etwas komplett Unbekanntem anfangen. Dies ist dann aber ähnlich, wie wenn wir in der Schule ein neues Thema gelernt hatten. Der Eine versteht sofort was von einem verlangt wird, der Nächste braucht nur eine sehr genaue Hilfestellung und wiederum ein anderer versteht es gar nicht.
Genau diese drei Varianten sind auch bei eurem Pferd vorstellbar:
Habt ihr also ein Pferd das sehr willig mitarbeitet und gerne lernen will, wird es euch leichter fallen ihm das Neue zu vermitteln.
Selbstverständlich kann auch jedes noch so willige Pferd einen Tag haben, an dem es einfach keine Lust hat. Ab diesem Zeitpunkt kann die Übungsstunde zur wahren Geduldsprobe werden. Denn eins ist sicher: Pferde wissen viele Möglichkeiten, wie sie sich "dumm" stellen können bzw. so tun können als wüssten sie nicht, was man von ihnen willst. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Pferde um so kreativer werden je mehr sie können. Da zeigt mir meine Stute z.B. recht gerne wie toll sie doch die Seitengänge beherrscht, obwohl ich sie eigentlich nur im Quadrat longieren wollte.
Wollt ihr also nicht eine Stunde lang sehen, was euer Pferd schon alles kann oder euch auf endlose Diskussionen einlassen bis euer Vierbeiner bereit ist mitzuarbeiten, würde ich euch von dieser Variante eher abraten.
Wollt ihr aber eure gute Laune auf die Probe stellen kann gerne ein Versuch gewagt werden.
Fängt man mit der neuen Lektion am Anfang einer Stunde an ist es natürlich das selbe. Das Pferd weiß schließlich nicht, was ihr mit ihm im Anschluss noch vor habt.
Man könnte jetzt meinen, dass es dann vielleicht am Sinnvollsten wäre, wenn man unbekannte Lektionen zum Schluss einfach einmal ausprobiert und entweder es klappt oder das Pferd geht wieder in den Stall.
Doch diese Einstellung wäre fatal. Würde das Pferd am Ende der Stunde wirklich nicht das machen, was man von ihm verlangt, sondern gekonnt der neuen Lektion durch andere ausweichen und man stellt das Pferd dann in den Stall zurück merkt sich das Pferd dies natürlich.
Hat es dann beim nächsten Mal wieder keine Lust erinnert es sich daran, dass es einfach etwas Anderes so lange machen muss bis der ihm gegenüber keine Lust mehr hat und dann darf es ganz entspannt in seinen Stall und fressen.
Doch auch prinzipiell ist es wenig zielführend etwas Neues am Ende der Trainingseinheit zu versuchen.
Ihr könnt euch das so vorstellen, als wenn ihr kurz vor Feierabend von eurem Chef eine euch kommplett unbekannte Aufgabe zugewiesen bekommt, die unbedingt noch heute erledigt werden muss.
Meine Reaktion (zumindest im Kopf) wäre eindeutig: Warum ist der damit dann bitte nicht schon früher gekommen?
Auch in der Schule war ich eher einer von den Schülern, die in der letzten Stunde nur noch darauf gewartet haben, dass der Gong ertönt und ich heimgehen kann. Haben wir dann noch neuen Stoff durchgenommen und am nächsten Tag wiederholt war es für mich, als hätte ich noch nie zuvor etwas davon gehört.
Auch wenn das Pferd die ganze Zeit davor Lektionen zeigt, die es vielleicht sogar schon aus dem "FF" beherrscht ist dies trotzdem Denkarbeit. Ab einer bestimmten Zeit ist ein Pferd genauso wie ein Mensch nicht mehr aufnahmefähig.
Bei gut trainierten Pferden geht man davon aus, dass sie bei reiner Kopfarbeit ca. nach 40 Minuten nicht mehr können. Bei dieser Zeit ist aber nicht die Zeit gemeint, wenn das Pferd Lektionen zeigt, die es schon fast auswendig kennt. Die Zeit soll euch nur als eine Art Orientierung dienen.
Hat das Pferd also ca. 40 Minuten eine super Figur gemacht und läuft richtig klasse und ihr denkt euch: "Jetzt könnte ich eigentlich noch ... probieren", kann es passieren, dass das Pferd einfach nicht mehr aufnahmefähig ist und die neue Lektion einfach nicht umsetzen kann.
Doch wie geht es jetzt im Reiterkopf und anschließend im Pferdekopf weiter?
Als Reiter weiß ich, dass ich das dem Pferd jetzt so nicht durchgehen lassen darf, da es ansonsten sein kann, dass es meint mit ein bisschen "Spinnen" schafft es, dass die Stunde vorbei ist und merkt sich das fürs nächste Mal. Bleibe ich jetzt aber als Reiter hartnäckig so lange dran, bis das Pferd wenigstens ein bisschen das macht, was ich von ihm will hat das meist auch etwas mit Dominanz und Bestrafung zu tun.
Im Pferdekopf sieht die Unterrichtsstunde dann wie folgt aus:
Zu Beginn denkt es sich vielleicht etwas in der Richtung: "WOW, heute bin ich richtig gut in Form."
Nach vierzig Minuten merkt es, wie seine Aufmerksamkeit langsam nachlässt, aber das Pferd unbedingt dem Reiter beweisen will, dass es auch das kann, was der Reiter erwartet und plötzlich fängt der Reiter an etwas ganz Neues zu machen und das Pferd "steigt aus". Es denkt sich, dass es so super mitgearbeitet hat und jetzt einfach nicht mehr die nötige Konzentration hat, um die Hilfen des Reiters zu verstehen. Die Folge davon ist, dass der Reiter die Hilfen energischer einsetzt und vielleicht auch etwas strenger wird. Für das Pferd ist dies aber vollkommen unverständlich. Es hat bis jetzt so super mitgearbeitet und will einfach nur gelobt und verwöhnt werden, dass es heute so sauber gearbeitet hat. Doch dann wird es auf einmal bestraft und der Reiter ist sogar sauer auf es. Für das Pferd vermittelt man dann das Gefühl, dass die gesamte Stunde schlecht bzw. sogar nutzlos war. Ich glaube bei jedem kam ein solch ein Tag schon einmal vor und ja auch ich habe mich schon einmal dabei ertappt, wie man mit den Gedanken, dass man sich den heutigen Abstecher zum Pferd hätte sparen können, vom Hof weg geht und dies nur, weil man sich daheim in den Kopf gesetzt hatte genau das heute mit seinem Pferd zu lernen, was eben nicht funktioniert hat.
Die Situation hemmt also sowohl beim Pferd als auch beim Reiter die Lust an der Zusammenarbeit.
Idealer Weise sollte man sich also vorab Gedanken dazu machen, was man seinem Pferd beibringen will und was es in diesem Bereich vielleicht sogar schon gelernt hat.
Die Unterrichtsstunde solltet ihr dann wie folgt aufbauen: Zu Beginn sollte man natürlich sein Pferd aufwärmen, so dass die Muskeln ideal gelockert sind und die Bewegungsabläufe fließend in einander übergehen. Anschließend übt man mit dem Pferd Lektionen, die es schon kann, aber in die gleiche Richtung gehen wie die neue Lektion: Z.B. Schulter- und Kruppe-herein vor einer Traversale. Dies hat für beide Seiten einen super Effekt. Der Reiter erlangt die nötige Sicherheit, dass er dem Pferd seine Hilfen korrekt gibt und das Pferd wird immer selbstsicherer und zufriedener, da es auf der einen Seite genau versteht, was der Reiter von ihm will und auf der anderen Seite immer eine Belohnung (Stimme, Streicheln) erhält, wenn es eine Lektion zeigt. Beide gehen also mit einer positiven Einstellung in die Situation und das Pferd hat auf Grund der positiven Bestärkung auch richtig Lust konzentriert darauf zu achten, was der Reiter will. Durch diese Voraussetzungen fällt es beiden (wir lernen bei neuen Lektionen schließlich auch etwas dazu) leichter die Übung umzusetzen. Gelingt die Lektion ist es natürlich wichtig, sein Pferd ausgiebig zu loben. Nun folgt aber ein weiterer, schwieriger Teil. Als Reiter muss man nun abschätzen, ob das Pferd noch genug aufnahmefähig ist diese Lektion noch einmal zu zeigen, oder ob es für das erste Mal gut ist. Denn es ist mittlerweile bewiesen, dass Pferde Dinge schneller lernen, wenn sie sie seltener machen, als wenn sie es jeden Tag und sehr oft trainieren. Wiederholt man nämlich die gleiche Übung noch einmal und das Pferd ist schon erschöpft, kann es sein, dass es diese nicht mehr korrekt oder gar nicht mehr zeigt. Dies führt dann erneut zu Diskussionen und der Lernerfolg ist futsch. Arbeitet nach der Lektion wenn ihr das Gefühl habt, dass euer Pferd mental erschöpft ist lieber noch einmal an bereits Gelernten. Dadurch erhält das Pferd die Bestätigung, dass es die Lektion sehr gut gemacht hat und arbeitet auch beim nächsten Mal willig mit, weil es nur Positives mit dem Erlernten verbindet.
Ihr seht also, dass der ideale Zeitpunkt für das Üben neuer Sachen ziemlich genau die Mitte bzw. fast noch etwas vor der Mitte der Trainingseinheit liegt.
Zu diesem Zeitpunkt ist das Pferd sowohl physisch als auch psychisch noch top fit und kann ideal mitarbeiten.
Natürlich kann es auch sein, dass das Pferd auch zu diesem Zeitpunkt nicht sofort die Lektion versteht. Arbeitet dann lieber Schritt für Schritt und gebt euch lieber schon mit kleinen Verbesserungen zufrieden.
Ihr werdet merken, dass das Pferd dann beim nächsten Mal die Hilfen viel besser annimmt und leichter versteht.
In diesem Sinne einen schönen Sonntag und ich hoffe, ich konnte euer "equines Gehirn" wieder etwas erweitern :P
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