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Der Atlas - Ursprung vieler Probleme

EquiBa -  Korrigieren des Altas
EquiBa - Korrigieren des Altas

Der Atlas ist eine der häufigsten "Baustellen" beim Pferd, wenn man als Therapeut zum ersten Mal zu einem Kunden kommt. Doch warum ist dies so und was beeinflusst den Atlas bzw. wird von dem Atlas beeinflusst?

 

Der Atlas ist der erste Halswirbel des Pferdes und bildet gemeinsam mit der Axis, dem zweiten Wirbelkörper, das Atlantoaxialgelenk. Dieses Gelenk ist mit das wichtigste Gelenk beim Pferd, wenn es um die Stellung und Biegung geht.  Der Übergang von Atlas zur Axis (Nr. 5 im Bild unterhalb) ist der Einzige, der eine Stellung des Kopfes zulässt.  Die anderen Halswirbel spielen bei dieser Bewegung des Kopfes keinerlei Rolle.

C1 (1,2,3,4) Atlas, C2 (5,6) Axis  -------------  Quelle: ABC of the Horse Atlas Pauli Grönberg
C1 (1,2,3,4) Atlas, C2 (5,6) Axis ------------- Quelle: ABC of the Horse Atlas Pauli Grönberg

Was passiert also, wenn der Atlas rotiert ("gekippt") ist bzw. das Pferd eine Blockade im Bereich des Atlas hat?

Durch z.B. eine Rotation des Atlas nach rechts ist der Atlas auf der rechten Kopfseite deutlicher zu spüren. Auf der linken Seite hingegen ist er weiter nach unten abgesenkt. Dies bedeutet in der Folge für das Atlantoaxialgelenk und somit die Stellung des Pferdes, dass die Stellung auf die linke Seite immer noch problemlos absolviert werden kann, jedoch auf der rechten Seite blockiert nun der rechte Atlasflügel (Nr. 4 im Bild oberhalb) die Bewegung des Gelenks. Dadurch wird das Pferd sich auf der rechten Seite verwerfen, da es sehr wahrscheinlich versucht die Übung trotzdem auszuführen, um es seinem Reiter "recht zu machen". Oft verzweifelt man dann als Reiter, warum das Pferd auf der einen Seite die Stellung so schön zeigt und es auf der anderen Seite unmöglich scheint. Somit hat man das Gefühl, es "bockt" auf dieser Seite obwohl es die Übung anatomisch bedingt nicht ausführen kann. Durch das Fehlen der anatomischen Fähigkeit sind natürlich weit aus mehr Übungen schwer bzw. nicht mehr korrekt ausführbar, dies war also nur ein Beispiel.

Verwerfung, freier Bewegungsablauf - Quelle:Lea Duwe
Verwerfung, freier Bewegungsablauf - Quelle:Lea Duwe
Verwerfung beim Reiten - Quelle: Nadine Pütz
Verwerfung beim Reiten - Quelle: Nadine Pütz

Doch durch was kann so eine Fehlstellung überhaupt erst entstehen?

 

Der Atlas wird, wie ich oben schon angedeutet habe, nicht nur durch die reiterliche Hand beeinflusst, sondern auch durch weitere Faktoren. Dadurch dass der Atlas der erste Halswirbel ist, ist er fast unmittelbar in Kontakt mit dem Kiefer bzw. dem Kiefergelenk. Das bedeutet, dass die Zähne einen Einfluss auf dieses Gelenk haben.

Nehmen wir also an, dass schon länger kein Dentist mehr anwesend war. Beim Pferd wachsen die Zähne nach und werden je nach Kauverhalten unterschiedlich abgenutzt. Hinzu kommt, dass Pferde oft eine bevorzugte Kauseite, sei es durch den Stand der Heuraufe o.ä., durch Schmerzen oder aus anderen Gegebenheiten, haben. Kaut ein Pferd also vermehrt auf der einer Seite nutzt sich der Zahn hier stärker ab als auf der anderen Seite. Welche Seite bevorzugt wird, lässt sich anhand der Kaumuskulatur gut erkennen. Wird dies nicht rechtzeitig korrigiert wird mit der Zeit der Kiefer in gewissem Maße "schief". Dadurch versucht das Kiefergelenk natürlich dieses Problem auszugleichen, indem es sich ähnlich schief stellt. Nach geraumer Zeit versucht der Atlas diese Schiefe in die gegengesetzte Richtung zu korrigieren und es entsteht die oben beschriebene Problematik (Atlas steht auf einer Seite tiefer).

 

Behandelt man als Therapeut nun den Atlas und bringt ihn wieder in seine natürliche Position ohne dass in sehr kurz darauffolgender Zeit ein Dentist behandelt, wird der Atlas nicht in der korrigierten Position bleiben, sondern wieder in sein altes Muster fallen.Auf der anderen Seite muss angemerkt werden, dass durch eine Zahnbehandlung ohne Behandlung des Atlas das Gleiche nur auf gegenteilige Weise passiert. Durch die Zahnbehandlung ist das Kiefergelenk wieder entlastet und befindet sich nun in seiner natürlichen Position, doch der Atlas ist immer noch in seiner "Schonhaltung". Diese versucht jetzt das Kiefergelenk auszugleichen, da es ansonsten bei stärkerem Befund sogar zu einer leichten Schiefstellung des Kopfes kommen könnte. Der Kiefer gleicht also nun den Atlas aus und stellt sich wieder "schief". Dadurch entwickelt das Pferd wieder ein einseitiges Kauverhalten und der Teufelskreis beginnt von neuem. Wie ihr seht muss man auch bei einer Zahnbehandlung mehr als nur die Zähne berücksichtigen, da diese ansonsten sehr schnell wiederholt werden muss, ansonsten wird die vom Dentisten korrigierte Fehlstellung durch den Atlas erneut verursacht.


Natürlich hat in diesem Zusammenhang auch die Halsmuskulatur einen entscheidenden Einfluss auf den Atlas und das Kiefergelenk.

Einige Muskeln setzten nämlich auch am Kiefergelenk/Atlas an.Was passiert also mit den Muskeln bei der oben beschriebenen Situation?Durch die "Schiefstellung" fangen die Muskeln sich auf der einen Seite zu verkürzen bzw. werden die Muskeln auf der anderen Seite minimal überdehnt. Folgen davon sind Verspannungen im Nacken- und Halsbereich. Löst man die Blockade beim Atlas in Berücksichtigung mit einer (wenn nötig) Zahnbehandlung, untersucht aber nicht die Halsmuskulatur auf Verspannungen, bleiben die Muskeln immer noch verkürzt bzw. überdehnt. Der "Druck" wird ihnen zwar genommen, da das Kiefergelenk und der Atlas nun wieder in Idealposition sind, die Halsmuskulatur kann aber bei längerem Bestehen der Problematik sich nicht einfach alleine wieder dehnen, sondern muss unterstützend behandelt werden. Idealerweise mit Hilfe von Tapes, die die Verkürzung bzw. Überdehnung lösen können, durch gezielte Massage oder durch Behandlung mit einem Reizstromgerät. Empfehlenswert wären hierbei eher ersteres oder letzteres, da eine einmalige Massage bei größeren Blockaden meist nicht ausreicht, ein einmalig richtig geklebtes Tape oder einmalige Reizstrombehandlung hingegen schon ausreichen kann.

 

Auch der Reiter hat Einfluss auf den Atlas. Wird ein Pferd z.B. vermehrt auf einer Seite geritten prägt sich diese Muskulatur logischerweise stärker aus als auf der anderen Seite. Die Tatsache, dass "übertriebene Härte" beim Reiten oder ein zu starkes im "Gebiss" hängen beim Reiten sich auf das Kiefergelenk und somit auch auf den Atlas auswirkt sollte sich nach der oberen Erklärung von selbst erklären. Als Therapeut reicht es nie aus, ein Gelenk/Wirbelkörper alleine zu betrachten, sondern immer das Pferd als Ganzes. Für euch ist es immer wichtig zu beachten, dass der Therapeut nicht einfach nur vor sich hin behandelt, sondern entscheidende Fragen stellt, wie: "Wann war die letzte Zahnbehandlung?" Oder noch besser, den Zahnstatus selbst überprüft. Wie ihr aus diesem Blogbeitrag erkennen könnt, ist der Altas einer wichtigsten Wirbel im Pferd mit sehr großer (Aus)Wirkung, bei dem es empfehlenswert wäre ihn regelmäßig kontrollieren zu lassen.

Einen schönen Sonntagabend wünsche ich euch.
LG Dominik

 

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Kommentare: 6
  • #1

    Jenny (Samstag, 06 Januar 2018 00:09)

    Danke für diesen sehr aufschlussreichen Beschreibung

  • #2

    Monika (Freitag, 23 Februar 2018 14:21)

    Sehr aufschlußreich und eingängig geschrieben. Danke!

  • #3

    Marina (Freitag, 30 November 2018 11:56)

    Hallo, super Post! Und genau das, was ich gesucht habe! Sehr weiter geholfen :)
    LG

  • #4

    Heike (Samstag, 26 Januar 2019 21:39)

    Klasse erklärt, genau das Problem von meinem Pferd
    L.g.

  • #5

    Lisa (Dienstag, 14 Mai 2019 10:37)

    Super erklärt, danke für diesen Beitrag!

  • #6

    Silke (Montag, 05 Februar 2024 22:22)

    Vielen Dank, wenn Beides ausgiebig behandelt ist wie kann ich therapeutisch die Muskulatur unterstützen?
    Sollte ein Röntgenbild zusätzlich gemacht werden?
    LG